Anne Knepper – New Rules in the Kitchen

Bei Anne läuft vieles anders. Und das ist auch gut so. Sie ist 27 Jahre jung, Küchenchefin und Teilinhaberin des „Public House“, dem Fine-Dining-Restaurant im Casino in der Ville-Haute. Ihre Ansätze sind ebenso unkonventionell wie unverbraucht, ihr Esprit ebenso zielstrebig wie lebensbejahend. Ein Porträt des womöglich interessantesten jungen Talents der luxemburgischen Gastronomieszene.

Was macht eigentlich einen guten Chefkoch aus? Kreativität? Perfektion? Teamfähigkeit? Das alles ist mit Sicherheit unerlässlich, aber was einen wirklich guten Chef aus der Masse herausstechen lässt, ist Persönlichkeit. Und davon hat Anne Knepper eine ganze Menge zu bieten. Ihre offene, lockere Art und ihr Idealismus spiegeln sich in allem wider, was sie anfasst.

Das Abenteuer Public House

Küchenchef werden und ein eigenes Restaurant eröffnen — davon träumt wahrscheinlich jeder Koch auf der Welt. Für die meisten bleibt es auch beim Traum. Anne konnte beides mit gerade einmal 26 Jahren abhaken. Wie so oft hatte auch hier die Fortuna ihre Finger im Spiel. Als Anne als Gastköchin an einer der beliebten „Chef’s Nights“ in der Bonne Nouvelle Bar zu Gast war, nahm das Schicksal seinen Lauf: „Davide und Mathias, die Besitzer der Bonne Nouvelle, kannten mich davor noch gar nicht“, erinnert sie sich. „Aber die Chemie zwischen uns dreien stimmte auf Anhieb.“ Das war im Juli 2022, zu jener Zeit arbeitete Anne noch im Casamadre in Kopenhagen. Im März 2023 ergab sich dann eine Möglichkeit: „Sie erzählten mir davon, dass die Räumlichkeiten im Casino frei geworden waren, und wir begannen sofort, Pläne zu schmieden“. Der Schritt, zurück nach Luxemburg zu kommen, fiel ihr überraschend leicht: „Ich hätte nicht mit ruhigem Gewissen nach Kopenhagen zurückgehen können, wenn ich mir diese Chance hätte entgehen lassen.“ Kurz darauf eröffnete das Public House: „Es sollte zunächst ein Pop-Up Restaurant für 1 Woche werden, daraus wurden 9 Monate und jetzt noch mindestens 3 weitere Jahre“.

Der Name Public House“ stammt von den Gasthäusern im Vereinigten Königreich, die die meisten wohl unter der Abkürzung „Pub“ kennen sollten. Wer dabei ein gemütliches, gedrungenes Lokal mit dunklen Holzdielen vor Augen hat, der irrt in diesem Fall. Das Ambiente des historischen, hochdeckigen Salons mitsamt seinen barocken Stuckverzierungen und dem großen Wandgemälde sorgt eher für ein bourgeoises Flair, ohne dabei zu stark in den Kitsch abzudriften. „Wir hatten solch ein Glück, dass wir diesen Raum bekommen haben!“, freut sich Anne. Einen persönlichen Touch findet man in der Dekoration: Getrocknete Wildsträucher und Blumen — wie direkt aus der Natur gerissen — in Weinflaschen statt Vasen verschönern die Fensterbänke und die Bar. Beim Eingang liegt ein kleines Gästebuch, in dem man sein Feedback, ein paar nette Worte oder einfach einen lustigen Spruch hinterlassen kann.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre …

Geboren und aufgewachsen in Luxemburg, schlug Anne zunächst einen akademischen Weg ein und studierte Wirtschaftswissenschaften an der HEC in Lausanne. Trotz erster beruflicher Erfahrungen im Finanzsektor spürte sie, dass diese Welt nicht die ihre war. Während eines Auslandssemesters in München, wo sie nebenbei in der Küche eines kleinen Restaurants arbeitete, hatte sie eine prägende Erkenntnis: „Als ich das erste Mal in der Küche stand, wusste ich, dass ich meinen Platz gefunden hatte.“ Die Leidenschaft für das Kochen, die sie schon immer hegte, sowie die Erfahrungen in einer professionellen Küche gaben ihr schließlich den Mut, den Kurs zu ändern.

Nach der Entscheidung, sich vollständig der Gastronomie zu widmen, absolvierte sie eine Kochausbildung am EHTL und machte ihr Abschlusspraktikum im renommierten 3-Sterne-Restaurant Geranium in Kopenhagen. In den darauffolgenden Jahren blieb sie in der Stadt und arbeitete sie im Casamadre und im Admiralgade 26.

Handwerk, Transparenz und Qualität!

„Wir haben so viele wunderbare Produkte um uns. Ich möchte zeigen, was man damit Tolles gestalten kann!“

So lautet ihr Credo. Einen entscheidenden Einfluss auf ihre Philosophie hatte der Bäcker Julius Branthner, bei dem sie während ihrer Zeit in München arbeitete. „Diese Stichpunkte habe ich damals mitgenommen und setze sie bis heute in meiner Küche um“, erläutert Anne. „Außerdem bleibe ich meiner Grundphilosophie von saisonaler und regionaler Küche treu.“ Ihr geht es darum, in der Gastronomie für ein Umdenken zu sorgen, indem sie die Fragen aufwirft: Wie essen wir? Was essen wir? Und wann essen wir was? Nur so kann ein bewussterer und verantwortungsvollerer Konsum angestrebt werden. Anne erinnert sich daran, was René Mathieu ihr einmal sagte: „Wir müssen überlegter konsumieren.“ Sie nickt. Damit sprach er mir direkt aus der Seele. Wir haben so viele wunderbare Produkte um uns. Ich möchte zeigen, was man damit Tolles gestalten kann!“

Ihre Bilanz nach einem Jahr: „Das Konzept kommt sehr gut bei den Leuten an. Und darüber bin ich froh, denn es ist die einzige Art, wie ich in der Gastronomie arbeiten möchte.“ Für sie ist klar, dass in einer nachhaltigen Küche nicht immer alles verfügbar sein kann. Es ist mir wichtig, dahingehend ein Zeichen zu setzen und dies den Leuten näherzubringen“, erklärt sie. Dabei stößt sie auch auf Herausforderungen: Mir ist tatsächlich aufgefallen, dass viele unserer Gäste oft gar nicht wissen, dass dies mein Ziel ist.“ Deshalb sehen sie und ihr Team noch viel Aufklärungsarbeit vor sich. Die saisonalen Einschränkungen sind für viele neu, besonders im Kontext von Fine-Dining. Im Winter gibt es nun mal keine Tomaten, daran muss man die Gäste oft erinnern“, gibt sie zu. Aber es ist keine Ignoranz, es ist nur einfach nicht das, was man als Erstes mit Fine-Dining assoziiert.“ Um ihre Botschaft zu vermitteln, setzt sie auf Storytelling, etwa direkt im Restaurant oder auch über soziale Medien wie Instagram. Ich schaffe es leider nicht immer, mit zum Tisch zu kommen und meine Geschichte zu erzählen. Mein Team kennt meine Philosophie und weiß dies zu betonen, es ist aber immer etwas anderes, wenn man selbst mit den Gästen spricht.“

Ihre Überzeugung motiviert sie auch dazu, sich mit anderen Köchen auszutauschen, um neue Ideen zu schöpfen. Beispielsweise beim Four-Hands-Dinner: „Es ist immer ein toller Austausch, da man neue Ansätze und Techniken kennenlernt.“ Auch die Zusammenarbeit mit ihrem neuen Souschef sieht sie als gewinnbringend. „Jede neue Person gibt einem etwas mit, man muss nur offen dafür sein.“ Auf die Frage, mit wem sie am liebsten ein Four-Hands-Dinner veranstalten würde, wenn sie freie Wahl hätte, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Manon Fleury aus Paris! Sie ist ein großes Vorbild als junge Küchenchefin und hat ein sehr starkes Storytelling“.

 class=

Harmonie statt Hektik

„That’s just the way I am. I have no desire to change either myself or the way I run my restaurant.“

Annes Persönlichkeit steckt nicht nur in dem, was aus ihrer Küche rausgeht, auch hinter den Kulissen wird nach ihren Regeln gespielt. Dass in vielen Küchen ein rauer Ton und strenge Hierarchien herrschen, ist ein offenes Geheimnis. Doch Anne zieht hier eine andere, eine sanftere Saite auf. „Ich würde niemals den Ton heben“, denn sie hat selbst erlebt, wie es anderswo aussieht und was es bedeutet, unter hohem Druck zu arbeiten.

Als sie davon spricht, wie sie endlich den Mietvertrag über drei Jahre mit dem Casino unterschrieb, meint sie: „Ich freute ich mich vor allem, weil wir unseren Mitarbeitern nun eine Sicherheit bieten können.“ Dabei glaubt man ihr jedes Wort. „Ich sehe uns hier weniger als Kollegen, eher als eine Familie. Jeder trägt etwas bei, jeder ist wichtig, und jeder kann sich auf den anderen verlassen“, erklärt sie ihr Konzept von Teamarbeit, das mehr nach Herzensangelegenheit als nach Geschäftsmodell klingt. „Ich bekomme manchmal zu hören, dass ich zu sehr wie eine gute Freundin wirke, nicht wie eine Chefin“, gesteht sie. „Aber genau dadurch entsteht unser tolles Arbeitsklima. So bin ich einfach, ich möchte auch nicht anders sein und ich würde mein Restaurant auch nicht anders leiten wollen.“

Menüplanung, Einkäufe, Organisation, Marketing, Weiterbildung und dann noch ganz nebenbei jeden Abend ein perfekt abgestimmtes Fünf-Gänge-Menü zubereiten. Bei all diesen Aufgaben und Verpflichtungen fragt man sich zu Recht, ob da für eine junge Frau noch genügend Zeit zum Leben bleibt. Anne gibt darauf die für sie einzig richtige Antwort: „Die Küche IST mein Leben. Wenn ich mit meinen Leuten hier am Werkeln bin, bin ich in meiner Komfortzone und es fühlt sich ehrlich gesagt selten wirklich an wie Arbeit.“ Natürlich dürfen auch Freunde und Familie nicht zu kurz kommen. Die Zauberformel: Organisation. „Ich habe meine festen Tage in der Woche, an denen ich bestimmte Dinge tue, und Tage, an denen ich mir Zeit für mich nehme. Dieser klare Cut ist unheimlich wichtig. Sonntags und montags ist frei. Da komme ich nicht ins Restaurant und das Arbeitshandy bleibt auch dort.“

Wir sind überzeugt, dass Anne ihrer Linie treu bleibt und hoffen, dass ihre Arbeit reichlich Früchte tragen wird. Wir wünschen viel Erfolg und bleiben am Ball, wohin die Reise auch führt!

Ein Rezept von Anne Knepper finden Sie hier.

PUBLIC HOUSE

7 BD. FRANKLIN D. ROOSEVELT

L-2450 LUXEMBURG

PUBLICHOUSE.LU

Heute angesagt

Newsletter Anmeldung

Auch lesenswert