Departement Eure: Die Wiege des Impressionismus

Wer dieses Jahr in das Departement Eure in der Normandie reist, darf sich auf ganz besondere Feierlichkeiten freuen: 150 Jahre Impressionismus. Rund um Giverny und das Haus und die Gärten von Claude Monet bietet die Region neben ihrer charmanten Bocage-Landschaft und seinen Landschlössern auch jede Menge Kunst-Events.

Wie wäre es, bei einer kurzen Auszeit in Natur und Kultur einzutauchen? Dazu lädt das Departement Eure in der Normandie ein, wo dieses Jahr der 150. Jahrestag der Geburt des Impressionismus gefeiert wird. Die großen Namen dieser Stilrichtung kamen Ende des 19. Jahrhunderts in diese Region, um direkt vor Ort das Meer, die Bocage-Landschaft, die Flüsse und Schlösser zu malen, die diese Region prägen. Dort erfanden sie einen Stil, der die Landschaft mehr durch Empfindung und Licht („Impression“) als durch Realismus darstellt. Ein radikaler Kontrast zum vorherrschenden Akademismus.

Giverny, ein Dorf im Seine-Tal

Claude Monet ist es zu verdanken, dass das Departement Eure dieses Jahr im Mittelpunkt des Interesses steht. 40 Jahre lang lebte der Begründer des Impressionismus in Giverny, einer Gemeinde im Osten des Departements, 1,5 Autostunden von Paris entfernt. Monet lebte dort von 1883 bis zu seinem Tod im Jahr 1926. Die Normandie kannte er gut. Aufgewachsen war er in Le Havre. Sein ganzes Leben lang kam er immer wieder zurück in die Region, um dort zu malen. So schuf er 1873 im Hafen von Le Havre das Gemälde „Impression, Sonnenaufgang“, das als Geburtsstunde des Impressionismus gilt.

Monets Haus und Gärten

Am Ende des Straßendorfes Giverny, wo sich auf mehr als 7 km schöne Bürgerhäuser aneinanderreihen, sind Monets Haus und Gärten die am zweithäufigsten besuchte Sehenswürdigkeit der Normandie — beliebter ist nur der Mont-Saint-Michel. Die in den 1970er-Jahren restaurierte Villa mit der berühmten rosafarbenen Fassade gibt einen Einblick in das Privatleben und die Kunst des Malers. Das eigentliche Schmuckstück ist jedoch der Außenbereich. Monet war nicht nur ein begnadeter Maler, sondern auch ein fantastischer Gärtner. So wachsen hier neben Blumen auch etliche Obst- und Gemüsesorten.

Musée des Impressionnismes 

Besonders sehenswert ist der Wassergarten der Anlage, den der Maler eigenständig angelegt hat. Seine Faszination für Wasser gab den Anstoß, einen See anzulegen, über ihn eine japanische Brücke zu bauen und orientalische Gewächse zu pflanzen — sowie auch die berühmten Seerosen, die dank seiner Werke, die in den größten Museen der Welt ausgestellt werden, Weltruhm erlangten. Apropos Museum: Einen Besuch im Museum des Impressionismes sollte man sich nicht entgehen lassen. Bis zum 3. November ist dort die Ausstellung „Hiramatsu Reiji. Symphonie des Nymphéas“ (Symphonie der Seerosen) zu sehen, die an die leidenschaftliche Verbindung zwischen diesem zeitgenössischen japanischen Künstler und dem Werk von Monet erinnert, das er durch die japanische Technik des Nihonga neu interpretiert hat.

Impressionismus in Kunst und Kulinarik

Das Festival Normandie Impressionniste 2024 hat indes ein fantastisches Programm zusammengestellt. Die fünfte Ausgabe des Festivals findet bis zum 22. September statt und bietet 150 Veranstaltungen zum 150. Jubiläum. Im Musée des Beaux-Arts der Stadt Rouen wird die Gemäldeausstellung „Normandism“ des in der Region ansässigen englischen Künstlers David Hockney gezeigt. Der Regisseur und bildende Künstler Bob Wilson erfindet jedes Jahr aufs Neue eine Ton- und Lichtshow, die an die Fassade der Kathedrale gestrahlt wird. Mit dabei ist zudem die französische Schauspielerin Isabelle Huppert. Auch die Kulinarik kommt nicht zu kurz. Unter dem Motto „150 saveurs de Normandie Impressionniste“ bieten 150 Restaurants, Bars und Konditoreien der Region vom Impressionismus inspirierte regionale Köstlichkeiten an. Mit dabei sind sechs Restaurants des Departements Eure, wie das Le Jardin des Plumes in Giverny, in dem Sternekoch David Gallienne am Herd steht (siehe Rezept).

Le Bec-Hellouin, eines der schönsten Dörfer Frankreichs

Das Jubiläum ist auch die perfekte Gelegenheit, diese geradezu poetisch anmutende Region besser kennenzulernen. Apfelbäume, Fachwerkhäuser, Kühe und Pferde auf den Wiesen, Rad- und Wanderwege, Flüsse … Slow Tourism wird im Departement Eure großgeschrieben. Wer die Augen aufmacht, kann auf den kleinen Straßen, die die Landschaft durchziehen, viel entdecken (siehe „Geheimtipps“). Wer dafür keine Zeit hat, kann auch kürzere Strecken wählen — so zum Beispiel die wenigen Kilometer zwischen den beiden Dörfern Brionne und Le Bec-Hellouin. An den Ufern des Baches Bec bilden grüne Wiesen, Reetdachhäuser und Obstplantagen ein harmonisches Bild. Und dann, am Ende der Straße, befindet sich Le Bec-Hellouin, das sich mit dem Label der „Plus beaux Villages de France“, der schönsten Dörfer Frankreichs, schmücken darf. Der mächtige weiße Glockenturm seiner Abtei thront über das saftig grüne Tal und befindet sich neben schmucken Fachwerkhäusern, die hier und da in Cafés und Boutiquen umgewandelt wurden, in bester Gesellschaft.

Champ de Bataille, der größte Privatgarten Europas

Auch Bernay, Ville d’Art et d’Histoire, und Le Neubourg sind eine Reise wert. Jeden Mittwoch findet hier einer der wichtigsten Märkte des Departements Eure statt, auf dem es normannisches Savoir-vivre zu erleben gibt. Auf dem Platz zwischen der Kirche aus dem 15. Jahrhundert (die liebevoll „Kathedrale der Felder“ genannt wird) und den Überresten des Schlosses werden lokale Spezialitäten und Bauernhoferzeugnisse angeboten. Dass wir durch Le Neubourg fahren, ist übrigens kein Zufall. Nur 6 km entfernt befindet sich die Domaine du Champ de Bataille. Dieses Schloss und sein Park werden seit mehr als 30 Jahren mit einer unglaublichen Hingabe von Jacques Garcia, einem weltberühmten Dekorateur, restauriert.

Britisch-indische Gärten und ein Mogulpalast

Paläste, Hotels, Restaurants: So viele Orte hat der 76-Jährige bereits zum Erstrahlen gebracht, doch hier ist ihm sein Meisterwerk gelungen. Das klassische normannische Landhaus und die von André Le Nôtre gezeichneten Gärten waren nur noch ein Schatten ihrer selbst. Das änderte sich, als der Dekorateur das Anwesen 1992 erwarb. Eine akribische Restauration hat das Haus in einen schmucken Palast im Stil des Grand Siècle verwandelt. Garcia hat dabei auf die Möblierung ebenso Wert gelegt wie auf die Gestaltung des Gartens. Die schiere Menge an Details ist beeindruckend: Da ist die unglaubliche Tiergalerie mit Hunderten Ausstellungsstücken — vom ausgestopften Elefantenkalb bis hin zu Schmetterlingen, die Kronleuchter der Küche im Untergeschoss, das atemberaubende Mobiliar der Wohnzimmer im Obergeschoss, die Bibliothek mit ihren unzähligen Werken zu Kunst und Literatur, die charmanten Salons in den Gewächshäusern … Die französischen Gärten im Außenbereich mit ihren Hainbuchen und Eiben, ihren Becken und den kunstvoll zugeschnittenen Büschen grenzen an Perfektion. Die britisch-indischen Gärten mit dem Mogulpalast hingegen strahlen jene asiatische Exotik aus, die Jacques Garcia so sehr beeinflusst hat. Ein Besuch, den man lange in Erinnerung behält, ebenso wie die Normandie und insbesondere das Departement Eure, das in dieser schönen Jahreszeit so viel zu bieten hat.

Text & fotos: Philipe Bourget

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