Dubai, der Inbegriff von Luxus und Exzess, hat wieder zugeschlagen: Eine Schokolade für ca.17 € pro Tafel verkörpert den neuesten globalen Hype. Doch hinter dem glänzenden Image der Dubaischokolade verbirgt sich lediglich eine altbekannte Rezeptur mit Pistaziencreme, die nun als Inbegriff von Luxus vermarktet wird. Der Erfolg wurde möglich gemacht durch die Mechanismen einer dezentralisierten Aufmerksamkeits-Ökonomie, die die globale Nachfrage nach einem Produkt weitaus schneller und größer steigern kann, als es traditionelles Marketing je könnte, wobei die wahre Innovation und Exklusivität des Produktes fragwürdig bleiben. Ein Meinungsbeitrag.
Die sogenannte „Dubaischokolade“, eine einfache Tafel Schokolade gefüllt mit Pistaziencreme und krokantem Engelshaar, wird aktuell in Dubai zu einem Preis von stolzen 17 € verkauft. In einer Stadt, die wie keine andere für ihre dystopischen Züge und als Sinnbild der endzeitlichen Konsumgesellschaft bekannt ist, überrascht es kaum, dass gerade dort eine derart überteuerte Süßigkeit zu weltweitem Ruhm gelangt ist. Mittlerweile gibt es die importierte Schokolade auch hierzulande zu kaufen, sowie die nicht weniger teueren versionen internationaler Großhersteller. Und es verkauft sich wie geschnitten Brot — alles nur wegen dem „Hype“.
Die Gesellschaft des Spektakels
Der Hersteller „Fix Dessert Chocolatier“ begann 2021 in Dubai mit dem Angebot dieser als exklusiv vermarkteten Spezialität. Die Gründerin des Unternehmens, Sara Hamouda, beansprucht die Erfindung des Rezepts für sich, welches sie angeblich während ihrer Schwangerschaft entwickelt hat. Doch wer einmal die Türkei besucht und die lokale Süßwarenkultur erlebt hat, dem wird nicht entgangen sein, dass ähnliche Süßigkeiten, die Pistaziencreme und Engelshaar kombinieren, dort schon seit Langem existieren und nahezu an jeder Ecke verkauft werden. Der Originalitätsanspruch der Dubaischokolade wirkt vor diesem Hintergrund eher fragwürdig. Dies unterstreicht einmal mehr, wie globale Trends und lokale Traditionen oft in den neuen Kreationen der Luxuskonsumgüterindustrie verschmelzen, wobei die Authentizität der Produktgeschichten gelegentlich in den Hintergrund rückt.

Die Schokolade existiert zwar schon seit drei Jahren, doch erst in diesem Jahr hat sie dank der Food-Influencerin mariavehera257, die mit einem TikTok-Video über 100 Millionen Klicks sammelte, explosive Popularität erlangt. Dieses Video dürfte wohl der Zündfunke gewesen sein. Was darauf folgte, lässt sich als vorhersehbarer Mechanismus des Influencer-Ökosystems beschreiben: Eine Flut von Trittbrettfahrern sprang auf den fahrenden Zug, in der Hoffnung, durch die Assoziation mit dem Trend Aufmerksamkeit für sich selbst zu generieren. Das Interesse am Produkt schien dabei ins Unermessliche zu steigen, angetrieben durch einen selbstverstärkenden Zyklus von überschwänglicher Lobpreisung — aber auch Kritik oder solche die sich über den Trend lustig machen. Jeder Beitrag, sei es Lob oder Tadel, trägt zur Spirale der Aufmerksamkeit bei. Selbst dieser kritische Kommentar, den Sie gerade lesen, und die Tatsache, dass Sie ihn lesen, ist ein kleiner Teil dieses unerbittlichen Aufmerksamkeitskarussells.
Die Geschmacksprobe
Wer Interesse hat, die Schokolade zu probieren, kann sich eine Tafel über Amazon für 20 € bestellen, entweder direkt aus Dubai oder empfohlen von einem Influencer. Auch ein bekannter Hersteller und Marktführer aus der Schweiz hat am 20. November seine eigene „Dubai“-Schokolade auf den Markt gebracht und sich beim Preis an der Konkurrenz orientiert. Bei unseren Nachbarn in Deutschland standen Leute bereits um 2 Uhr nachts vor den Läden, um das Produkt als erster probieren zu können.
Wer nach einem authentischeren und preisgünstigeren Erlebnis sucht, findet die Version aus der Türkei in orientalischen und asiatischen Lebensmittelgeschäften für etwa 4 € pro 100g Tafel.

Da gründliche Recherche in unserem Metier unverzichtbar ist, haben wir es nicht versäumt, eine der preiswerteren Tafeln zu erstehen und im Büro zu verkosten. Der Geschmack ist intensiv süß, mit einer cremigen und zugleich knusprigen Füllung, die eine Mischung aus Milchschokolade und einem nussigen Abgang bietet. „Das erinnert mich an Kinder-Schokobons“, meint unsere Grafikerin Enia. „Ehrlich gesagt hätte ich mehr Pistaziengeschmack erwartet“, fügt unsere Journalistin Marion hinzu.
Und ich? Obwohl ich normalerweise keine große Vorliebe für Süßigkeiten habe, habe ich während des Schreibens dieses Artikels fast unbemerkt die halbe Tafel verputzt. Die Mandarine, die ich mir am Morgen noch mit besten Absichten eingepackt hatte, lag derweilen unberührt in der Ecke meines Schreibtischs und sah mich vorwurfsvoll an. Die Schokolade schmeckt schon verdammt gut, aber eine Geschmacksoffenbarung ist was anderes.