Entdeckungsreise an den Ufern des Mekong

Während 2023 fast dreißig Millionen internationale Touristen Thailand besuchten und dreizehn Millionen Vietnam, zählte das benachbarten Laos nur bescheidene drei Millionen. Ein Glücksfall für entdeckungslustige Reisende, denn in dem Binnenstaat gibt es zwar keine Strände, doch dafür glänzt das kleine Land mit viel Kultur, toller Küche und freundlichen Menschen.

Wenn Mönche fluchen würden, wäre jetzt wohl der geeignete Moment dafür. Schwere Regentropfen prasseln auf die roten Dachziegel von Wat Xieng Muan, einem von vierunddreißig buddhistischen Klöstern, die das historische Stadtbild von Luang Prabang, der alten Königsstadt Laos‘ prägen. Die letzten Vorbereitungen für Ban Ouk Phansa, das Fest zum Abschluss der buddhistischen Fastenzeit sind in vollem Gange und die jungen Novizen gerade dabei den Hof des Tempels mit farbenfrohen Papierlaternen zu schmücken, als der Himmel seine Schleusen öffnet.

Obwohl sich seit dem späten Morgen immer mehr dunkle Wolken vor die Sonne schoben, wollte niemand so richtig mit Regen rechnen, denn Ende Oktober ist Trockenzeit am Mekong und seit mehr als zwanzig Jahren wurde das beliebte Lichterfest immer zuverlässig von Niederschlägen verschont. Hastig retten die Mönche nun die fragilen Leuchten aus durchsichtigem Seidenpapier vor den Wassermassen und errichten notdürftig ein schützendes Planendach über dem prachtvollen, mehrere Meter langen Papierdrachen, der in wochenlanger Detailarbeit erbaut wurde. Auf keinen Fall darf dieses Meisterwerk heute schon dem Regen zum Opfer fallen!

Prachtvolle Zeremonien

Erst in der folgenden Nacht, zum Höhepunkt der Feierlichkeiten, hat der grazile, doch imposante Drache seinen großen Auftritt: von hunderten Kerzen beleuchtet wird er, zusammen mit mehr als zwanzig anderen dieser ephemeren Kunstwerke in einer festlichen Prozession durch die bunt geschmückten Straßen getragen und anschließend dem mächtigen Strom des Mekongs übergeben:  ein Opfer an die Nagas, die Wassergeister, von denen man sich im Gegenzug Segen und Glück verspricht.

Doch auch heute zeigen sich die Wassergeister bereits gnädig und der Regen lässt kurz vor Einbruch der Dunkelheit nach. Zehntausende, wenn nicht sogar hunderttausende Kerzen und Laternen werden in der ganzen Stadt angezündet und tauchen die geschwungenen Dächer, die goldverzierten Reliefs und die funkelnden Glasmosaiken auf den Fassaden der Klöster in ein magisches Licht. Einheimische und Besucher spazieren bis tief in die Nacht von Tempel zu Tempel, von Wat Xieng Thong über Wat Sensoukharam zu Wat Wisunalat, bestaunen die Lichtinstallationen und schießen Erinnerungsfotos.

Viel Schlaf gibt es nicht, denn der nächste Tag wird noch vor Sonnenaufgang mit dem Almosengang der Mönche eingeläutet.  Die Gläubigen warten in geordneter Reihe geduldig auf den Bürgersteigen als hunderte safranfarben gewandete Mönche in meditativer Stille aus den Klöstern strömen. Anlässlich des Fests wollen besonders viele Menschen gutes Karma sammeln und die Mönche werden reich beschenkt.

Kulturelle Vielfalt

Was für Luang Prabang seine Mönche und Tempel, sind für das Land Laos seine Menschen mit ihrer beeindruckenden kulturellen Vielfalt. Neben den Lao Loum, welche knapp zwei Drittel der Einwohner ausmachen, erkennt der laotische Staat mehr als vierzig verschiedene Volksgruppen offiziell an. Vor allem in den ländlichen Gegenden leben Hmong, Khmu, Lan Tan, Tai Lue, Yao und Akha zwischen Reisfeldern, Wasserfällen und Karstbergen noch oft in typischen, zum Schutz gegen Ungeziefer und ungebetene Besucher auf Stelzen erbauten Holzhäusern. Sie bauen Reis, Mais und Gemüse an, weben, färben und besticken nach alter Tradition Stoffe aus Baumwolle und Seide und produzieren Lao Lao, eine Art „Whisky“ auf Reisbasis.

Jede der ethnischen Minderheiten ist stolz auf ihre über Generationen vererbten Trachten, mit jeweils eigenen Mustern und Besonderheiten: Die Frauen der Hmong tragen kreisrunde, mit geometrischen Formen verzierte Hüte, die Yao eine Art Turban und mit rotem Plüsch besetzte Blusen gegen die Kälte in den Bergen während die Akha ihren Reichtum mit auf ihrer Kopfbedeckung angebrachten, in der Sonne funkelnden Silbermünzen zur Schau tragen. Besonders im Norden des Landes zwischen Nong Khiaw, Phongsaly und Muang Sing werden die Traditionen noch gepflegt, selbst wenn der florierende Handel mit dem benachbarten China der Region auch einige fremd am Platz wirkende, in protzigem Barockstil errichtete Neubauten beschert hat.

Spuren der Vergangenheit

Weitaus harmonischer bettet sich Wat Phu, seit 2001 UNESCO-Weltkulturerbestätte in die sattgrüne Landschaft am Fuß des Bergs Lingamparwata in Laos‘ tropischem Süden. Die Tempelanlage der Khmer-Zivilisation reicht bis ins 11te Jahrhundert zurück und ist somit älter als das berühmte Angkor Wat im nicht weit entfernten Kambodscha. Vom Massentourismus verschont, entfalten die gut erhaltenen Ruinen besonders am frühen Morgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch den Nebel dringen und nur ein paar einsame Mönche still über das Areal wandern, den malerischen Charme vergangener Epochen.

Auch abseits der archäologischen Stätten scheint die Zeit hier an den Ufern des Mekong zwischen Champasak mit seiner Kolonialarchitektur und den nur per Boot erreichbaren Inseln des Si Pan Don-Archipels wie stehen geblieben. Mit Kanu und Netz oder mit abenteuerlich in die Wasserfälle des Flusses gesetzten Fischfallen bestreiten einheimische Kleinfischer sich ihren Lebensunterhalt. In den abgeernteten Reisfeldern grasen ein paar Büffel, deren Besitzer vor der feuchten Hitze in ihre schattigen Hängematten geflüchtet sind. Kinder und Jugendliche, in weißen Hemden und schwarzen Hosen oder Röcken gemäß der schulischen Kleiderordnung, radeln nach einem lehrreichen Tag über schmale Wege nach Hause.

Hektik sucht man in Laos vergebens. Tiefentspannt zeigt sich das Land von seiner besten Seite und die Laoten haben immer ein Lächeln auf den Lippen. Sogar in der Hauptstadt Vientiane mit knapp einer Million Einwohnern ist der Trubel überschaubar.Ein perfektes Reiseziel also, um Südostasien abseits von Verkehrschaos und Menschenmassen zu entdecken.

Ein traditionelles Rezept finden Sie hier.

Rezept & Fotos: Laurent Nilles

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