Schon ab Herbstbeginn tauchen mittlerweile die Boxemännercher, also die kleinen, süßen Briochegebäcke in den Schaufenstern der Bäckereien auf. Jeder weiß, dass diese hier zur Winterzeit und zum feiertäglichen Beisammensein gehören, doch nur wenige sind sich im Klaren warum. Der Boxemännchen ist nämlich weit über die Landesgrenzen hinaus in der Großregion verwurzelt und versüßt nicht nur uns hier die Weihnachtszeit…
Süße Tradition mit heiligem Erbe
Wie die meisten luxemburgischen Bräuche, ist auch der Boxemännchen auf unser katholisches Erbe zurückzuführen. Mit seinen zahlreichen Heiligengeschichten, Namens- und Feiertagen bietet der katholische Kalender eine reichhaltige Quelle an Kultur und Brauchtum, die in verschiedenen Regionen teils auf ganz individuelle Weise gepflegt wird.
Am 6. Dezember feiert man den Namenstag des heiligen Nikolaus, eines Bischofs aus dem 4. Jahrhundert, der laut Legenden Kinder vor einem grausamen Schicksal bewahrt haben soll. Wegen seiner wohltätigen Taten und seiner Rolle als Retter von Kindern wurde Nikolaus im Mittelalter zum Schutzpatron der Kinder ernannt.


Mittelalterliche Heiligenbilder des Sankt Nikolaus von Myra
Der Brauch der Boxemännchen reicht bis ins Mittelalter zurück, als Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Buße nicht zur Kirche gehen konnten, anstelle einer gesegneten Hostie ein kleines Männchen aus Teig erhielten. Ursprünglich soll das Teigmännchen den heiligen Nikolaus selbst dargestellt haben, inklusive Bischofsstab. Später ersetzte man den Stab durch eine kleine Tonpfeife, die im 16. Jahrhundert sehr beliebt war, auch wenn heute nicht mehr genau bekannt ist, warum. Die Verbindung zwischen dem Nikolaus und den Teigfiguren bleibt aber nichtsdestotrotz bis heute bestehen.
Eine Tradition geht um die Welt…
Hierzulande kennt man den Nikolaus als „Kleeschen“ (eine Koseform des Namens Klaus bzw. Nicolas). Als Bischof ist er an der spitzen Bischofsmütze (der Mitra) soie dem goldenen Krummstab zu erkennen. Rund zwei Wochen vor dem 6. Dezember legen die Kinder in Luxemburg abends ihre Hausschuhe vor den Kamin oder die Haustür und hoffen, darin Süßwaren oder vielleicht sogar ein Boxemännchen zu finden. In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember wird der Nikolaus besonders großzügig und bringt neben Süßigkeiten auch Geschenke mit.
In Rheinland-Pfalz kennt man die Boxemännchen als Weckmänner, die traditionell mit dem Martinstag am 11. November verbunden sind. Zum Laternenumzug ziehen die Kinder von Haus zu Haus und bekommen oft die Weckmänner geschenkt, die ihren Namen von „Weck“ oder „Weckmehl“ für Brötchen oder Teigstück haben. Da der Laternenumzug in Luxemburg erst zu Mariä Lichtmess am 2. Februar stattfindet, gibt es hier keine direkte Verbindung zum Martinstag.
Im Osten Frankreichs, besonders im Elsass, feiert man den Nikolaus ebenfalls, und die Bäckereien bieten das sogenannte Mannele an, eine kleine Briochefigur, die oft mit Schokoladenstücken oder Rosinen versehen ist.
In Belgien nennt man diese Männchen Cougnous. Die Kinder, die sich das Jahr über gut benommen haben, erhalten sie häufig zusammen mit Speculoos, den typischen Gewürzkeksen in Form des Nikolaus. Am Abend des 5. Dezember stellen die Kinder ein kleines Glas Alkohol für den Nikolaus bereit und einen Napf mit Wasser und eine Karotte für seinen Esel.
In den reformierten Niederlanden wird bis heute der Nikolaus als Sinterklaas am 6. Dezember gefeiert. Der Brauch ist hier so populär, dass Sinterklaas oft sogar per Schiff anreist und eine eigene große Feier erhält. Diese niederländische Version des Nikolaus ist die Grundlage für den amerikanischen „Santa Claus“.
Bei den Angelsachsen hat man die Figur des heiligen Bischofs jedoch konsequent „entkatholiziert“. Hier trägt „Santa Claus“ keine katholischen Insignen wie die Mitra oder den Krummstab, sondern lediglich eine Zipfelmütze. Auch kommt er nicht mehr zu seinem Namenstag am 6. Dezember sondern zu Weihnachten. Anstatt der Boxemännercher aus Brioche isst man hier „Gingerbreadmen“ aus Lebkuchen.
Boxemännchen heute
TBis heute werden die kleinen Boxemännchen am Nikolaustag gerne verschenkt, besonders an Kinder, die die süßen Briochfiguren lieben. Auch wenn die Boxemännchen mittlerweile ein saisonales Gebäck sind, das schon ab Herbst verkauft wird, erinnern sie die Menschen an die Geschichte des heiligen Nikolaus und an die vielen Traditionen, die über Jahrhunderte gepflegt und weitergegeben wurden. Im Freilichtmuseum Thillenvogtei werden jährlich zu Winterbeginn Workshops für Kinder angeboten, bei denen sie neben der Geschichte und der Tradition auch noch lernen, ihren eigenen Boxemännchen zu backen. Hier zu unserem Artikel!
