SUMO ist für die Luxemburger Street-Art-Szene das, was James Brown für den Funk war – ein Pionier und Wegweiser. In den 90ern verewigte er sich noch anonym auf verlassenen Häusern, heute hängen seine Werke in Kunstgalerien und zieren sogar die Boeing-Flugzeuge von Luxair – mit seinem Namen groß und klar sichtbar.
In den 90ern sprach noch niemand von „Street Art“, vor allem nicht in Luxem- burg. Es gab lediglich ein paar Jugendliche, die, inspiriert durch die Hip-Hop-Kultur, MTV und verschiedene Magazine, versuch- ten, das nachzumachen, was man damals noch gemeinhin als Graffiti bezeichnete. Unter ihnen der junge Christian Pearson, der sich schon von klein auf für Comicbücher, Werbeillustrationen, Albumcover und alles begeisterte, was grellbunt, abgedreht und kreativ war. „Mein Vater brachte mir damals den Bildband ‚Subway Art‘ aus England mit“, erinnert er sich. Dieser erste Kontakt mit der Graffiti-Kunst sollte ihn nachhaltig prägen. Da es gute Street Art damals nur in großen Städten im Ausland zu sehen gab, hatte er fortan stets seine Kamera dabei: „Ich wollte alles festhalten, was mich inspirierte.“
Gemeinsam mit den anderen beiden Graffiti-Urvätern Spike und Stick machte er seine ersten Gehversuche. Unter anderem auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthauses in Hollerich, das seit jeher ein Knotenpunkt der hiesigen Graffiti-Szene war. „Wir hatten niemanden, der uns zeigte, wie es geht“, sagt SUMO. „Wir mussten alles selbst herausfinden.“

No Hair? Don’t Care!
Wer SUMO kennt, kennt den „Crazy Bald- head“: den spitznasigen Glatzkopf mit Hollywoodlächeln, der als wandelbarer Protagonist die meisten seiner Kreationen bestimmt. Diese Figur entstand aus einer intensiven Suche nach einer visuellen Identität. „Früher ging es nur um Originalität. Wer andere kopierte, wurde in der Szene nicht respektiert“, sagt er. Pearson stellte sich damals ein Ultimatum: Entweder er erschafft etwas Einzigartiges oder hängt die Dose an den Nagel.
Heute ist SUMO ein bekannter Name, zu dem man ja und amen sagt. Dem Crazy Baldhead begegnet man vielerorts im Lande, aber auch vermehrt auf internationaler Bühne. Mittlerweile reist er sogar mit den Boeing-Flugzeugen der Luxair um die Welt. „Ich hätte nicht erwartet, dass man meine Signatur in gleicher Größe neben dem Luxair-Logo stehen lässt“, freut sich der Künstler über seinen wohl größten Auftrag. Obwohl längst etabliert, gehört SUMO aber keineswegs zum alten Eisen. Der gereifte, aber im Geiste jung gebliebene Sprayer hat ein untrügliches Gespür für den Zeitgeist und scheut auch nicht vor neuen Technologien wie AR oder NFTs zurück. Für sein rezentestes Projekt „Enter the Sumoverse“ hat er seine klassische Street Art mit 3D und Videoprojektionen kombiniert.


Die Straße auf die Leinwand bringen
Heute arbeitet SUMO am liebsten auf Lein- wand. „Ich habe nie versucht, irgendwo hineinzupassen“, erklärt er. Seit seiner ersten eigenen Ausstellung im Jahr 2002 hat er sich ständig weiterentwickelt. „Ich wollte mich nicht im Kreis drehen, deshalb habe ich irgend- wann angefangen, Sticker und Poster zu machen, und bin schließlich zur Leinwand übergegangen.“
Beim Besprühen von Wänden stieß SUMO oft auf Spuren anderer Künstler–Graffitis, abgeblätterte Farbe, Poster, Sticker oder andere Markierungen. Diese sichtbaren Schichten, die Chronologie einer Wand, fehlten ihm später auf der Leinwand. Um diese Tiefe zu bewahren, begann er, sie in seinen Bildern zu rekonstruieren. Wie man sieht, kann man die Kunst vielleicht von der Straße nehmen, aber man bekommt die Straße nicht aus der Kunst.
Seine Arbeiten sind heute vermehrt in Galerien zu sehen – nicht zuletzt in seiner eigenen, der „Gallery 1:1“ in der Rue de Strasbourg. Wenn er hier andere Künstler ausstellt, dann solche, die ihren Ursprung in der Street Art haben und sich daraus weiterentwickelt haben. „Ich möchte den Leuten die Wurzeln der Street Art zeigen, Künstler, die die Szene geprägt haben“, erklärt SUMO, der unermüdlich die Emanzipierung der Street-Art weiter vorantreibt.