Clovis Degrave — Ein Küchenchef mit Rückenwind

In nur 10 Jahren hat er es vom Commis zum bekannten und anerkannten Küchenchef in Luxemburg gebracht: Clovis Degrave. Der Gault&Millau zeichnete ihn zudem als Jungkoch des Jahres 2024 aus. Portrait eines Kochtalents, das vor ein paar Monaten sein zweites Restaurant eröffnet hat.

Was Clovis Degrave besonders auszeichnet, ist sein Temperament. Er ist ständig in Bewegung, will weiter vorankommen, auch wenn das bedeutet, Wind und Wetter trotzen zu müssen. Vielleicht hat das ja mit seiner Kindheit zu tun, die er unweit vom Meer in Calais verbrachte. Oder mit seinen Eltern, die in der Hotelbranche tätig waren. Oder mit der Kämpfernatur, die man den Einwohnern von Lothringen nachsagt. Dort wohnte er nämlich ab seinem 8. Lebensjahr.

Aber vielleicht sind es auch all diese Erfahrungen, die ihn zu dem Tatmenschen gemacht haben, der er heute ist.

Vom Studenten zur Aushilfskraft …

Seinen ersten Kontakt mit Luxemburg hatte Clovis Degrave als Jugendlicher. Er besuchte zunächst die Hotelfachschule in Metz und studierte dann Kulinarik und Tafelkunst in Nancy (gefolgt von einem Bachelor in Marketing). Seine Karriere im Großherzogtum begann mit einigen „Aushilfsjobs als Kellner“ im Restaurant Le Sud in den Rives de Clausen. „Damals gehörte das Restaurant dem Sternekoch Christophe Petra. Er hat mir viel beigebracht“, erzählt Clovis Degrave.

Zusätzlich absolvierte er ein Praktikum im Bereich Eventmanagement beim Marketingchef der 1Com Group. Die Inhaber Steve Darné und Jean-Claude Colbach leiteten zu jener Zeit die angesagtesten Bars in Clausen: Ikki, Zulu blanc, Rock Box … Der junge Clovis blühte hier so richtig auf. „Das war eine fantastische Erfahrung. Dank dieses Praktikums konnte ich in Luxemburg viele Kontakte knüpfen.“ Am Ende stand für ihn jedoch fest, dass er „lieber im Hotel- und Gaststättengewerbe bleiben“ möchte.

… zum Küchenchef des Le Sud

Eine weise Entscheidung, wie sich noch herausstellen sollte. Seine Laufbahn blieb nämlich nicht unbemerkt. Ende 2010 kehrte er mit einem Studienfreund von einem viermonatigen Aufenthalt in Australien zurück. In Luxemburg suchte Küchenchef Petra, der seinen Stern verloren hatte, einen Commis de Cuisine. „Ich habe mich beworben. Im Gaststättengewerbe ist das eine ganz normale Einstiegsposition“, erklärt Clovis Degrave. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: „Ich wurde als Chef de Partie eingestellt! Für einen Einsteiger wie mich war das eine große Sache. Man hat die Verantwortung für einen ganzen Bereich, für die Organisation und die Bestellungen.“

Auch der nächste Karrieresprung ließ nicht lange auf sich warten. Schon kurze Zeit später kehrte Christophe Petra in den Süden zurück und verkaufte sein Restaurant an Steve Darné und Jean-Claude Colbach von der 1Com Group. „Da wir uns schon kannten, baten sie mich um meine Meinung. Ich riet ihnen, einen bekannten Küchenchef zu engagieren, dessen Souschef ich sein könnte.“

Doch von diesem Vorschlag wollten die Verantwortlichen nichts hören. Sie hatten eine andere Idee im Sinn: Clovis Degrave selbst sollte die Küche des Le Sud übernehmen. „Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade einmal 22 Jahre alt und wollte mein Studium fortsetzen. Ich war sehr verunsichert und bat meinen Vater um Rat. Er sagte mir: „šWenn es schlecht läuft, ist das nicht deine Schuld. Du bist noch sehr jung. Und wenn es gut läuft, ist es ein großer Vorteil für deine weitere Karriere. Was ist denn dein Ziel? Bei einer großen Gruppe zu arbeiten oder dein eigenes Restaurant zu eröffnen?'“, erinnert sich der heute 34-Jährige. „Mein eigenes Restaurant zu eröffnen, war tatsächlich schon immer mein Traum gewesen.“

Und so wurde Clovis Degrave im Oktober 2011 Küchenchef im Le Sud. Als Team scharte er Jordane Jacoby, der auch heute noch seine rechte Hand ist, sowie Paul Bungert um sich, den laut Gault&Millau derzeit besten Konditor Luxemburgs. Er wurde Chef de Partie im Bereich Konditorei. „Wir haben sehr gut zusammengearbeitet und sehr viel gelernt.“

Nächste Etappe: Tour d’Argent

Nach vier Jahren hatte Clovis Degrave Lust auf Veränderung. 2010 stürzte er sich voller Enthusiasmus in neue Projekte. Er wollte „etwas anderes sehen“. Während eines kurzen Zwischenspiels in der Brasserie Schumann — „das Menü war für meinen Geschmack nicht gastronomisch genug“ — lernte er Aline Bourscheid kennen und lieben, die damals als Assistentin der Geschäftsleitung arbeitete. 2016 erhielt er von einer Personalvermittlung das Angebot, als Souschef im Tour d’Argent in Paris zu arbeiten. In diesem zur Institution gewordenen Restaurant blieb er jedoch nicht lange. „Aline und ich hatte schon seit einer Weile die Idee, ein kleines Café-Restaurant zu eröffnen. Wir hatten zahlreiche Lokale in Luxemburg besichtigt, aber ohne Erfolg. Zwei Wochen nachdem ich bei Tour d’Argent angefangen hatte, erhielt Aline einen Anruf von Georges Lentz von Bofferding, der ihr von einem verfügbaren Hotel-Restaurant erzählte. Es heiße Chez Brigitte und sei eine Art Aparthotel, das Langzeitvermietungen anbiete. Sie bedankte sich und teilte ihm mit, dass das nicht unseren Kriterien entspreche. Als sie mir davon erzählte, sagte ich ihr, sie solle schnell zurückrufen, um weitere Details zu erfragen. Letzten Endes hörte sich das Projekt so gut an, dass ich bei Tour d’Argent kündigte und nach Luxemburg zurückkehrte.“

Das Abenteuer Grünewald

Und so begann das Abenteuer Grünewald für Aline und Clovis. Tschüss Chez Brigitte und hallo L’Hostellerie: Das Hotel trug ab sofort wieder seinen Namen aus dem Jahr 1922. Am 2. April 2017 war es schließlich so weit: Nach langen Bauarbeiten, zahllosen Behördengängen und etlichen Verkostungen mit ausgewählten Gästen eröffnete das Hotel mit seinen 29 Zimmern seine Pforten. „Auf Booking waren wir ausgebucht“, erinnert sich der Unternehmer. Einen Monat später empfing das Restaurant mit 50 Plätzen seine ersten Gäste.

Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt: L’Hostellerie ist eine renommierte Adresse in Dommeldingen geworden — eine Oase der Ruhe, die lebendig ist und sich immer wieder neu erfindet.

„Die ersten Jahre sind in unserer Branche immer die schwersten, aber alles lief bestens. Doch dann kam die Corona-Pandemie. Aufgeben wollten wir auf keinen Fall. Daher haben wir uns als Take-away organisiert. Mit dem Essen haben wir während des Lockdowns mehr Umsatz gemacht als vor Corona.“

Immer in Aktion

Am Ende des ersten Lockdowns brach dann ein wahrhaftiger Besucheransturm aus. Die jungen Restaurantbesitzer waren reaktiv und entschieden sich, Arbeitskräfte einzustellen, um 7 Tage die Woche öffnen zu können. Doch dann kam der zweite Lockdown … Während einige in der Branche auf Nummer sicher gingen, zeigte Clovis‘ auch im Sturm, dass er das Ruder fest in der Hand hält: „Ich nutzte diese zweite Auszeit, um die Küchen zu renovieren. Wir haben alles herausgerissen und in Neues investiert. Wir haben das Restaurant und die Terrassen vergrößert, einen Privatsalon eröffnet und neu dekoriert.“

Das Leben ging weiter, aber Aline und Clovis, für die es immer noch weiter gehen muss, entschieden sich 2022, das Gebäude genau gegenüber der L’Hostellerie du Grünewald zu kaufen. „Wir hatten schon lange die Idee, ein neues Konzept in Luxemburg zu eröffnen. Während meiner Reisen hatte ich verschiedene Chef’s Table gesehen und die Energie, die davon ausging, hat mir gefallen.“ In diesem neuen Gebäude eröffnete Clovis Degrave sieben neue Zimmer und am 7. September 2023 ein Konzeptrestaurant mit dem Namen Grünewald Chef’s Table.

Ein besonderes kulinarisches Erlebnis

In diesem neuen Luxusrestaurant — dem ersten seiner Art im Großherzogtum — kochen der Küchenchef und seine Brigade inmitten der Gäste. Dieses außergewöhnliche kulinarische Erlebnis brachte Clovis Degrave nur sechs Wochen nach der Eröffnung die Auszeichnung „Jungkoch des Jahres 2024″ des Gault&Millau ein. „Dabei bin doch gar nicht mehr so jung!“, scherzt der 34-Jährige. Auf die Frage, ob er noch weitere Projekte in petto habe, antwortet er: „Ja, die habe ich, aber noch kann ich nichts darüber verraten. Wir sind noch jung und haben noch viel mit unserem Haupthaus L’Hostellerie du Grünewald vor.“ Das Flaggschiff von Aline Bourscheid und Clovis Degrave segelt also volle Kraft voraus mit dem Wind.

Und wenn einmal Zeit für Entspannung bleibt? Auch dann sticht das Paar in See. „Alines Eltern haben mich für das Segeln begeistert. Seitdem machen wir jedes Jahr einen oder zwei Törns auf dem Meer“, erzählt der junge Mann. Und da eine ruhige See keinen guten Seemann macht, wünschen wir diesem Kapitän der Kulinarik immer frischen Wind in den Segeln und allzeit gute Fahrt.

HOSTELLERIE DU GRÜNEWALD

10-14 ROUTE D’ECHTERNACH

L-1453 LUXEMBOURG

hdg.lu

GRÜNEWALD CHEF’S TABLE

2 RUE DES HAUTS-FOURNEAUX

L-1719 DOMMELDANGE

gct.lu

Images: KACHEN

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