Seit René Mathieu Anfang des Jahres das „La Distillerie“ im Schloss von Bourglinster verlassen und im „FIELDS“ am Findel eine neue Ära eingeläutet hat – und im April sowohl seinen roten wie grünen Michelinstern zurückergattert hat –, steht das ursprüngliche Gourmetrestaurant leer. Leer? Nicht ganz. Denn die Küche des Schlosses ist weiterhin aktiv – für die Brasserie Côté Cour. Auch hier stammt das Menü direkt aus der Feder des Ausnahmechefs – ein zugänglicheres, aber keineswegs weniger präzises Erlebnis der Mathieuschen Handschrift.
Mit dem Ziel, dieses Versprechen zu überprüfen, machte ich mich am Donnerstag, den 22. Mai auf den Weg zum Schloss von Burglinster – der mich als Anwohner des Dorfes denkbar kurz war. Nur wenige Minuten zu Fuß, den alten Pflastersteinweg hinauf, begleitet von frühsommerlich mildem Wetter. Wer mit dem Auto anreist, wird sich über die komfortable Parksituation freuen: Direkt vor dem Schloss und auf einem nahegelegenen, großzügigen Parkplatz finden sich stets freie Plätze.
Nach einem kurzen Pflichtstopp auf der Schlossbrücke – ein paar Instagramfotos für meine Begleitung – ging es hinein in die Brasserie, die durch ein handgefertigtes Metallschild klar ausgewiesen ist.
Drinnen empfängt uns ein freundlicher Service, professionell und unaufdringlich. Die Terrasse – bei gutem Wetter ein echtes Highlight, klein, erhöht und mit Blick auf die Burgmauern – bleibt heute wegen Mangel an Sonnenschein leider geschlossen. Der Gastraum selbst ist rustikal, mit warmer Beleuchtung und schlichter Einrichtung – ein stimmiger Rahmen, der nicht vom Wesentlichen ablenken soll: dem Menü.
Zwei Wege – eine Philosophie
Noch bevor die Bestellung aufgegeben ist, erreichen uns die ersten Grüsse aus der Küche: Holzkohle-Cracker mit einer Emulsion aus fermentierten Walnüssen – ein wohlkomponierter Einstieg. Das leicht bittere Röstaroma der Cracker wird durch die nussig-umamiartige Tiefe der Creme wunderbar abgefangen. René Mathieus Handschrift ist sofort erkennbar: komplexe Aromen, die ganz ohne Effekthascherei auskommen. Dann ein kleiner Zwischengruß: Kartoffelsüppchen mit Aquafaba und gerösteten Hanfsamen – mild, nussig, mit gut gewählter Textur.


Zur Auswahl stehen zwei Menüs: die rein pflanzliche Variante oder das Menü „Flora & Fauna“, das punktuell um tierische Komponenten ergänzt ist – in unserem Fall durch Ei und Fisch. Wir entscheiden uns für Letzteres – nicht aus Mangel an Wertschätzung für pflanzenbasierte Küche, sondern im Sinne einer möglichst breiten sensorischen Erkundung.
Die Weinbegleitung wird uns vom sommeliergeschulten Service wärmstens empfohlen – zu Recht. Der Ventoux „Passe Colline“ 2024, ein klarer Weißwein mit mineralischer Frische, begleitet auch den nächsten Gang: eine kleine Quiche aus Brennnessel und Chlorophyll in Forsythienöl. Optisch fein gearbeitet, aromatisch zurückhaltend, aber mit sauberem Fokus auf vegetabilen Noten und leichter Säure.

Dann folgt der erste Hauptgang – und gleich das Highlight des Abends: Ofengegarter Spargel mit schwarzem Öl, sautierten Pilzen, Oeuf parfait, Gemüsejus und einer intensiv-aromatischen Spargelcreme. Hier kommt René Mathieus Philosophie voll zur Geltung: Gemüse ist nicht Beilage, sondern Bühne. In präziser Abstimmung zueinander entfalten sich Tiefe, Frische, Cremigkeit und leichte Süße. Nichts wirkt überladen – jeder Bestandteil hat seine Funktion im Zusammenspiel.
Darauf folgt der Nordseekabeljau mit gerösteten Haselnüssen und konzentriertem Gemüsejus. Überraschend präsent, aber nie aufdringlich: der Fenchel, der hier – fernab von Teeschubladendenken – seine volle Bandbreite zeigen darf. Frisch, anisbetont, mit Biss. Dazu ein luxemburgischer Riesling: kühl, glockenklar, ein lebendiger Kontrapunkt zur Tiefe des Tellers.


Dessert? Gleich zwei.
Das erste: Waldmeistereis in einer Schokoladenkugel, die unter einem Guss heißer Schokolade schmilzt – ein effektvoller, aber keineswegs überladener Moment. Das zweite: Veilcheneis auf Erdbeerkompott mit kristallisierter Zuckerkruste – floral, fruchtig, verspielt, aber stets kontrolliert.

Zum Schluss noch ein Potpourri an süßen Kleinigkeiten – Kräuterbonbons, getrocknete Blüten, kleine Küchlein – als Hommage an die Wälder, Wiesen und Gärten, die Mathieu so sehr prägen.


Fazit
Für 75 € (bzw. 65 € für das pflanzliche Menü) bietet die Brasserie Côté Cour ein gastronomisch anspruchsvolles Menü, das eindeutig von René Mathieus Stil geprägt ist: aromatische Präzision, intelligenter Einsatz saisonaler und regionaler Zutaten, ohne ins Theatralische zu verfallen. Wer bisher vom Preisniveau im „FIELDS“ zurückschreckte oder einen niedrigschwelligen Einstieg in Mathieus Küche sucht, findet hier eine ausgezeichnete Gelegenheit. Und für Kenner seiner Handschrift ist die Brasserie eine angenehm entspannte Alternative – besonders, wenn die Terrasse geöffnet ist.
Brasserie Côté Cour
Schloss Bourglinster
Geöffnet: Mittwoch bis Sonntag, mittags & abends
Menü: 65 € (Plantes) / 75 € (Flora & Fauna)
Instagram: @brasseriecotecour