Die Wiege des Ceylon-Tees: Im Hochland Sri Lankas

Marco Polo betitelte Sri Lanka einst als die „schönste Insel der Welt“. Auch einige Jahrhunderte später lässt sich diese Aussage noch bestens nachvollziehen. Die Perle im Indischen Ozean verzaubert mit rauschenden Wasserfällen, sattgrünen Teeplantagen und einer pittoresken Zugfahrt.

Ich bin verwirrt. Während die Dame an der Rezeption erklärt, dass sie mir bei der Beschaffung der Zugtickets helfen kann, schüttelt sie leicht, aber deutlich wahrnehmbar, den Kopf. Ich kann die Diskrepanz zwischen nonverbaler Kommunikation und dem, was ich höre, nicht deuten und frage nach. Während sie erneut bejaht, wackelt ihr Kopf weiter; wie von einem unsichtbaren Faden gehalten, der von Geisterhand immer wieder lockergelassen wird.

Das stetige Kopfschütteln der Singhalesen ist allgegenwärtig. Als mir ein paar Tage später ein Einheimischer erklärt, dass es keinesfalls als Verneinung oder Ablehnung zu verstehen ist, lüftet sich mein Nebelschleier. Die Auffassung bezüglich meiner kulturell geprägten Körpersprache muss ich revidieren: Andere Kulturen, andere Gesten.

Der Weg ist das Ziel

Meine anfängliche Sorge war also ganz umsonst: Einige Tage später halte ich mein Zugticket in den Händen. Bereits in Ella konnte ich mich von der Schönheit des Landesinneren überzeugen. Neben den Wanderungen zum Ella Rock war der Ausflug zum Diyaluma Wasserfall ein Highlight. Er ist nicht nur der zweithöchste des Landes, sondern bildet auf seinem rasanten Weg nach unten außerdem einige natürliche Pools, in denen man schwimmen und die Aussicht genießen kann. Mit dem Auto würde die Weiterreise von Ella nach Kandy weniger als die Hälfte der Zeit in Anspruch nehmen als die Zugfahrt. Doch bei der nächsten Attraktion ist der Weg das Ziel.

Oft schlängelt sich der blau-rote Zug nur in Schrittgeschwindigkeit durch das Hochland. Es hält mich kaum auf dem Platz. Viel zu gut fühlt sich der unverbaute Ausblick und der frische Fahrtwind an, der mir an der offenen Tür ins Gesicht weht. Ein Gefühl von Freiheit. Zivilisation ist auf weiten Teilen der Strecke nicht in Sicht: Stattdessen erstrahlen Teeplantagen und Wälder in saftigem Grün, während sich ab und an vor der imposanten Bergkulisse ein Wasserfall in die Tiefe stürzt. Ich fühle mich, als würde ich mitten durch eine Naturdokumentation fahren.

Teeernte: Anstrengende Handarbeit

Aber das Hochland Sri Lankas ist nicht nur für seine atemberaubenden Aussichten bekannt, sondern auch für seinen Exportschlager. Es ist die Heimat des Ceylon-Tees.

Wie kleine Farbtupfer stechen die Pflückerinnen in ihrer bunten Kleidung aus der tiefgrünen Sinfonie der Teepflanzen heraus. Sie arbeiten konzentriert: Flink pflücken ihre Hände die oberen, noch hellgrünen Blätter in Sekunden ab. Auf dem Kopf tragen sie Tücher, und das nicht nur, um sich vor der Sonne zu schützen. Auf ihrem Rücken hängen große Säcke, in denen sie die Blätter sammeln. Durch Bänder sind sie am Kopf befestigt.

Weit und breit sind keine Geräusche zu hören. Es ist ein friedvolles Bild. Doch den Kloß im Hals werde ich nicht los. Zuvor hatte mir unser Guide erzählt, dass diese Frauen 1000 Rupien am Tag — also umgerechnet knapp drei Euro — verdienen. Dafür müssen sie circa 20 Kilogramm Blätter pflücken. Der Lohn reicht nur für ein Leben von der Hand in den Mund, weswegen in der jüngeren Generation immer mehr Einheimische auf der Suche nach einem Ausweg aus diesem Teufelskreis sind.

Von der Pflanze zum fertigen Tee

Am Nachmittag bringen die Arbeiter die gesammelte Ernte zur Teefabrik. Jeden Tag landen hier circa 15.000 Kilogramm grüner Blätter, die umgehend verarbeitet werden. Die Fabrik ist 24 Stunden geöffnet. An 365 Tagen im Jahr.

Auch die Arbeitsbedingungen in der Fabrik sind brutal. Beim Betreten des Gebäudes schlägt mir eine sengende Hitze entgegen und liefert damit sogleich die Antwort auf meine Frage, warum vor der Halle Unmengen an Holz gelagert sind. Der erste Schritt in der Teeverarbeitung ist die Trocknung der Blätter. Dies passiert mit Hilfe riesiger Ventilatoren, die die heiße Luft des Feuers verteilen.

Anschließend übernehmen große Maschinen das sogenannte Rollen. Hierbei werden die Zellwände der Blätter aufgebrochen und die ätherischen Öle freigesetzt. Dieser Prozess ist der erste Schritt in der Entstehung des charakteristischen Geschmacks des Schwarztees. Geschäftig laufen die Frauen zwischen den Maschinen hin und her, um die Blätter zur Fermentation zu lagern. Die dicken, schwarzen Haare sind unter Netzen versteckt. Alle Mitarbeiterinnen sind barfuß und ich frage mich, was der europäische Arbeitsschutz dazu sagen würde.

„In der Halle arbeiten hauptsächlich Frauen, weil die Arbeit leichter ist. Die Männer beschaffen das Holz und befeuern die Öfen“, erklärt unser Guide. Nach einer weiteren Trocknungsphase sortieren Maschinen die Blätter nach Größe und Qualität, bevor sie im letzten Schritt verpackt werden. Je gröber das Endergebnis, desto milder der Geschmack.

Nach dem Einblick in die mühevolle Produktion schmeckt der Tee, den mir anschließend ein Mitarbeiter der Fabrik zubereitet, ganz anders. Dies wird auch in Zukunft so sein. Er ist fortan eine Gedächtnisstütze, weniger als selbstverständlich zu erachten und ein genaueres Auge darauf zu werfen, unter welchen Bedingungen unsere alltäglichen Konsumgüter produziert werden und was wir dazu beitragen können, diese zu verbessern.  

Ein traditionelles Rezept finden Sie hier.

Text & Fotos: Katharina Raskob

Heute angesagt

Newsletter Anmeldung

Auch lesenswert